Tuesday, July 11, 2023

Hanna Nevantausta, finnische Politikerin, zur extremen Rechten in Finnland

Schon viele Jahre verfolge ich die Umtriebe der extremen Rechten in Finnland und in der Welt. Ich betreibe eigene Forschungen und führe Daten zusammen, um meinem persönlichen Interesse nachzugeben. Alle beschäftigen sich mit solchen Sachen nicht ebenso intensiv, und deshalb habe ich eine kleine Chronologie darüber geschrieben, wie die extreme Rechte an politische beschlussfassende Macht in Finnland gekommen ist.

Überall in der Welt hat sich die Indoktrinierung und Propaganda der extremen Rechten, die durch langwierige Beeinflussung und Agitation im Hintergrund stattfindet, als sehr effektive Taktik herausgestellt. Es dürfte kein einziges westliches Land geben, wo ein Teil der Bevölkerung nicht an den Quatsch über Bevölkerungsaustausch oder an Rassentheorien glaubt.  

Die meisten von denen, die diese Propaganda überzeugt hat, verstehen noch nicht, mit was für Sachen dieser Glaube zusammenhängt, sondern verbreiten die Geschichten weiter.

Die Zusammenarbeit Russlands und der internationalen extremen Rechten wurde in Medien schon vielmals erwähnt. Der russische Staat finanziert viele rechtsextremistische Bewegungen in Europa und in den Vereinigten Staaten. Viele erinnern sich sicher an die Zuschüsse, die Russland z.B. mehreren europäischen "rechtspopulistischen Parteien" (wie wir in Finnland Rechtsextremisten nennen) erboten hat. Putins Russland ist offen feindlich gegen Einwanderer, gegen sexuelle und geschlechtliche Minderheiten, gegen den Übergang zur Umweltverträglichkeit und gegen Frauenrechte. Exakt dieselben Themen werden in der rechtsextremen Propaganda wiederholt. Das ist kein Zufall.

Rechtsextremisten sind so völlig von ihrer Ideologie überzeugt, dass sie es berechtigt finden, sie durch fragwürdige, sogar gesetzwidrige Mittel zu unterbreiten. Das extremste Beispiel dürfte der norwegische Terrorist sein, der wahrscheinlich den Rest seines Lebens hinter schwedischen Gardinen verbringen wird, nachdem er 77 Menschen aus ideologischen Beweggründen ermordet hat. Und sollte jemand sich vorstellen, dass das gleiche nicht in Finnland geschehen könnte, so will ich erinnern, dass auch bei uns die Polizei eben die Ermittlungen zu einer geplanten terroristischen Tat der extremen Rechten beendet hat. Dieser Tat wurde glücklicherweise vorgebeugt, aber wir dürfen uns nicht in die Vorstellung einlullen, dass irgendwelche künftige Terroristengruppe ihre Pläne nicht in die Tat umsetzen würde.

Bei uns in Finnland ist die extreme Rechte lange unter dem Radar geblieben, bis sie die Strategie gewählt haben, eine der existierenden Parteien zu unterwandern, um dann parlamentarisch unsere Gesellschaft zu beeinflussen. Sie haben sich dann die Wahren Finnen zu eigen gemacht, weil der Vorsitzende der Partei Timo Soini gemeint hatte, Finnland könnte eine rechtspopulistische Partei brauchen.

Machen wir jetzt eine Zeitreise zurück in die neunziger Jahre. Die Gründer der Organisation Suomen Sisu sind einander zunächst in der Buchhandlung Burning Books in Helsinki begegnet. In der Buchhandlung sind damals Personen zusammengekommen, die den Nationalismus und die Geschichte des zweiten Weltkriegs von einer nationalsozialistischen Perspektive aus betrachten wollten. Suomen Sisu wurde von Teemu Lahtinen, Mikko Mikonmaa (Besitzer der Buchhandlung Burning Books), Jura Jukola und Mika Purjesalo gegründet. Die Organisation hat schon früh angefangen, vom ausländischen Rechtsradikalismus Einfluss zu nehmen. Auf den Webseiten von Suomen Sisu wurde Ende der neunziger Jahre ein Verzeichnis von empfohlenen Büchern eingerichtet, wo Mitglieder der Organisation ihre eigenen Vorschläge beitragen konnten. Auf der Liste waren Bücher wie White Power von George Lincoln Rockwell, dem Gründer der American Nazi Party; Uutta Eurooppaa kohti ("Einem neuen Europa entgegen", eine ins Finnische übersetzte Textauswahl) von Alfred Rosenberg; und My Awakening von David Duke, einem Ku-Klux-Klan-Führer. Ausserdem gab es Links zu mehreren Webseiten der Naziskinsubkultur und der White-Power-Musik. Darüber hinaus wurden dem Besucher der Webseiten europäische rechtsextreme Parteien als "bemerkenswert" vorgehalten.

Leute, die sich auf der Diskussionsseite von Suomen Sisu kennengelernt hatten, haben die Bedrohung vor allem im "Zuwachs der fünften Kolonne, die ohne Unterlass auch nach der Einwanderung zunimmt und sich nicht integrieren lässt". Als Kennzeichen einer misslungenen Multikulturalität wurden auf den Seiten von Suomen Sisu die Kriminalität und Arbeitslosigkeit der Einwander, die ethnischen Krawallen und die Ghettoisierung der Vorstädte erwähnt. Die Organisation ist der Meinung, dass jeder, der im Ernst vorschlägt, die westliche Kultur zu verteidigen, als Rassisten gebrandmarkt wird. Habt ihr's schon mal irgendwo gehört? 

Ein gewisser Jussi Halla-aho war Mitglied der Organisation seit 2000 und wurde sogar zum Ehrenmitglied ernannt. Er ist erst im Jahre 2017, weil er zum Vorsitzenden der Wahren Finnen gewählt wurde. Im Jahre 2008 gründeten die Diskutanten der Kommentarbox zu Halla-ahos Blog das Online-Diskussionsforum Homma. Unter den Gründermitgliedern sind zu beachten Matias Turkkila, zweiter Vorsitzender von Suomen Sisu, der später der Chefredakteur der wahrfinnischen Zeitungen Perussuomalainen und Suomen Uutiset wurde. Das Homma-Forum wurde schnell populär, während es auf den Diskussionsseiten von Suomen Sisu eher leise wurde. Die Ideenwelt von Suomen Sisu wird auch von der Online-Zeitung Sarastus ("Das Morgengrauen") vertreten, die im Jahre 2012 gegründet wurde und auf dem Web weiterexistiert.

In den Kommunalwahlen des Jahres 2008 hatten die Wahren Finnen guten Erfolg, und mehrere Mitglieder von Suomen Sisu wurden als Volksvertreter gewählt: Jussi Halla-aho, Juho Eerola, James Hirvisaari und Olli Immonen. In den Parlamentswahlen des Jahres 2019 wurden Olli Immonen, Juha Mäenpää, Mauri Peltokangas und Jenna Simula sowie die früheren Sisu-Mitglieder Jussi Halla-aho und Juho Eerola gewählt. Suomen Sisu berichtete, dass die Kandidaten der Organisation insgesamt 158 308 Stimmen, oder mehr als 5 % von akzeptierten Stimmen erhielten.

Als sich der wahrfinnische Parteitag und die damit verbundene Wahl des Vorsitzenden näherten, hat Halla-aho sich im März 2017 als Kandidat angemeldet. Mehrere Monate früher hat der radikale Flügel der Partei in den Sozialen Medien zunehmend Lobbyismus betrieben, um die Linie der Partei einwanderungskritischer als früher zu machen. In der geschlossenen Facebook-Gruppe "Halla-aho zum Vorsitzenden" (Halla-aho puheenjohtajaksi) wurde im Frühjahr 2017 Anhängern von Halla-aho Hilfe erboten, Mitgliedschaft in der Partei zu suchen, und es wurden auch Fahrgemeinschaften organisiert, um neue Mitglieder zum Parteitag fahren und ihre Stimmen für Halla-aho abgeben könnten. Deshalb ist ein deutlicher Anstieg der Mitgliedschaft kurz vor der Vorsitzendenwahl zu beobachten. Am 10. Juni 2017 wurde Halla-aho zum neuen Vorsitzenden der Wahren Finnen von einer unbestreitbaren Stimmenmehrheit in der ersten Abstimmung gewählt: er erhielt 56,2 % der Stimmen. Die Volksvertreter, die als stellvertretende Vorsitzende gewählt wurden, d.h. Laura Huhtasaari, Teuvo Hakkarainen und Juho Eerola, eroberten ihre Mandate mit überlegender Stimmenmehrheit. Es wurde im allgemeinen erkannt, dass die ganze Parteiführung den radikalsten einwandererkritischen Flügel der Parlamentsgruppe der Wahren Finnen vertrat. Suomen Sisu hatte Timo Soini, den Parteigründer, aus seiner eigenen Partei beseitigt.

Timo Soini hat am 15. Juni 2017 in seinem Blog erklärt, warum er die Wahren Finnen verlassen und eine neue Partei gestartet hat. Seines Erachtens handelte es sich um eine Machtübernahme, die die als rechtsextrem geltende Organisation Suomen Sisu seit einem Jahr in den Sozialen Medien vorbereitet hatte. In der Wahl des Parteirats haben die Mitglieder von Suomen Sisu die Kreisorganisationen der Partei herausgefordert und ihre eigene Kandidatenliste vorgestellt. Soini sagte, er habe die Parlamentsgruppe der Partei wegen eines "langwierigen organisierten Mauschelns auf geschlossenen Diskussionsseiten" verlassen. Er betonte, dass er dieses Mauscheln "unverschämt und krass" finde. Später hat Teemu Lahtinen, eines der Gründermitglieder von Suomen Sisu, in einem Gespräch mit der konservativen Online-Zeitung Verkkouutiset zugegeben, dass Suomen Sisu für den Parteitag eine konkurrierende Kandidatenliste vorbereitet hatte und dass Halla-aho unter den Suomen-Sisu-Mitgliedern Unterstützung genoss.

Die Volksvertreter, die damals die Partei verliessen, haben erzählt, dass die von den Anhängern Halla-ahos eine Menge bedrohliche Rückmeldungen erhalten, in denen z. B. mit Mord und Vergewaltigung gedroht wurde. Sampo Terho [der in der Vorsitzendenwahl Halla-aho gegenüberstand, P.H.] hat einen Teil der Rückmeldungen veröffentlicht, in denen es z. B. hiess, er sollte gefälligst sterben, und er hoffte, dass sie seinen Rücktritt aus der Partei verständlicher machen. Der Volksvertreter Simon Elo erzählte, er habe Bedrohungen erhalten, die gegen seine Familie gerichtet waren. Ausserdem wurde die Partei der "Blauen" [Timo Soini und seine Anhänger, die die Partei der Wahren Finnen verlassen hatten] mit Hass überschüttet, da ihr Beschluss nur ein Trick zu sein schien, durch den sie ihre Ministerposten beibehalten könnten.

Die ersten Mitglieder, die es fertigbrachten, Parlamentariker zu werden, begannen gleich ihre Position zum Unterbreiten von Propaganda auszunützen, und es war schon überraschend, was für ein bereites Publikum sie unter den Finnen fanden, jetzt wo sie so viel mehr Öffentlichkeit hatten. Wenige Wähler verstanden es, das ganze in Frage zu stellen. Von nun an wurde es den Wahren Finnen zum Thema Nummer eins, Einwanderung zu bekämpfen und die Einwanderer zu entmenschlichen. Jedes Problem in der Gesellschaft wurde den Einwanderern, der Entwicklungshilfe oder der Europäischen Union angekreidet. Das finnische Volk wurde durch bewusste Manipulierung dazu gebracht, sich die Gedanken der extremen Rechten zu eigen zu machen. Die meisten Wahren Finnen leugnen ihre Verbindungen mit der extremen Rechten, aber Beweise lassen sich leicht finden. Im Laufe der Jahre ist die extreme Rechte in Finnland nach ihren inneren Konflikten in verschiedene Grüppchen zerfallen, und heute haben wir auch andere ideologisch rechtsextreme Parteien als die Wahren Finnen: die Blauschwarze Bewegung ("Sinimusta Liike"), VKK ("Valta Kuuluu Kansalle" - "Die Macht gehört dem Volk"), SKE ("Suomen Kansa Ensin" - "Das Finnische Volk Zuerst"), Vapauden Liitto ("Der Freiheitsbund") usw. Ausserdem haben wir andere Gruppierungen, die diese Ideologie unterstützen, wie PVL (die "Nordische Widerstandsbewegung"), Soldiers of Odin, Kohti Vapautta ("Der Freiheit entgegen"), Veren Laki ("Gesetz des Blutes"), Suomen Sisu, Kansallismielisten liittouma ("Die Allianz der Nationalgesinnten") und die Widerstandsbewegung. Diese sind nicht ebenso sichtbar wie die parlamentarische extreme Rechte, aber sie sind desto radikaler.


Für uns andere ist es natürlich eine gute Sache, dass sich die extreme Rechte immer kleiner zersplittert. Die Splittergrüppchen haben aber auf ihre Ziele nicht verzichtet, sondern sehen z. B. die Coronavirusleugner, die Politikenttäuschten und die den Nachhaltigkeitsübergang Ablehnenden als Nährsubstrat für ihre Ideologie. Der extremen Rechten ist es nicht wichtig, ob alle Mitgelockten an dieselben Sachen glauben wie die extreme Rechte selbst, das Wichtigste ist, dass sie grösser zu sein scheint als sie wirklich ist. Hierdurch wird Druck auf die Entscheidungsträger ausgeübt, um sie gefälliger zu stimmen. Das Unverständlichste ist, dass viele der Mitgelockten glauben, für ihr Vaterland zu kämpfen, obwohl sie durch ihre Aktivität diejenigen unterstützen, die unserem Gesellschaftsfrieden ernsthaft schaden wollen. Dieselben Menschen meinen wiederholt, dass man sich selbständig informieren soll, aber trotzdem haben sie sich nicht darüber informiert, wem ihre eigenen rebellischen Umtriebe eigentlich nützen.


Ich und viele anderen Leute verfolgen die Erfolge der extremen Rechten in Finnland und im Ausland schon lange. Wir haben versucht, unsere Besorgtheit öffentlich zu diskutieren, aber meistens werden wir nur beschuldigt, einen Popanz zu errichten, wo es keinen gibt. Uns macht es Sorgen, dass man die weitergehende Entwicklung nicht wahrnimmt, ehe es zu spät ist. Schon heute sehen wir in den Nachrichten, wie Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt. Die Ukraine ist ein Teil Europas. Das Regime Russlands hätte sich so etwas Ungeheures nie geleistet, wenn es nicht der Meinung wäre, dass die russisch unterstützte extreme Rechte genug Chaos in Europa verursacht hat, um Russland die Verwirklichung seiner Pläne zu erlauben. Ich fühle mich beunruhigt, wenn ich mir vorstelle, wer hinter den rechtsextremen Umtrieben eigentlich steckt. Ich will hier keinen schwarzmalen und ich will nicht zu verstehen geben, dass sich die Geschichte wiederholt. Keiner muss mir alleine glauben, aber ich ermahne alle, sich zu informieren.

Geschrieben von Hanna Nevantausta
Übersetzt von Panu Höglund

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